Traditionskegelclub von 1992

LTU 2012
28. September - 01. Oktober 2012 nach London

Tourbericht

Von Darmspiegelungen, Koffern und einer Insolvenz!


Liebe Kegelbrüder,

dass unsere Kegeltour 2012 unter besonderen Vorzeichen stehen würde, war uns bereits im Vorfeld lange klar. Schließlich handelte es sich um unsere Jubiläumstour anlässlich des 20-jährigen Bestehens unseres Traditionskegelclubs. Dass dieses Event jedoch einen derart außergewöhnlichen Verlauf nehmen würde konnte vor Antritt der Fahrt noch niemand ahnen. Selbst unser Tourorganisator Waldää (der wie sich später herausstellte tatkräftig von Öshi unterstützt wurde) konnte noch so gut planen - die Ereignisse entwickelten sagen wir mal „eine gewisse Eigendynamik“, die auch unseren Waldää und letztendlich den ganzen Club bis heute verfolgen.

Doch der Reihe nach. Bereits die Zusammensetzung des Planungsteams sorgte schon vor einem Jahr für erste Irritationen. Chicken stieg unerwartet aus und Waldää übernahm das Planungszepter zunächst in Eigenregie. Wie wir aus guten Gründen erst später erfuhren, konnte Waldää unseren Londoner Öshi kurzerhand als Ortskenner für die Mit-Ausarbeitung der Tour gewinnen.

So starteten wir am Freitag, den 28. September noch in völliger Unkenntnis unseres Reiseziels mit der ersten Gruppe (Wölff, Wixää, Pläät, Linda, Arnold und Chynasky) um 10.15 Uhr von Jansen Mattes im Bestattungs-Taxi eines genauso schrägen Kutschers. Dieser wurde von Waldää vorab eingeschüchtert und vergattert, uns keine Infos zum Zielort zu verraten. Wie sich später herausstellte waren Waldää´s Drohungen gar nicht nötig, denn der redselige Chauffeur wusste selber nicht, wohin er eigentlich fuhr.

So konnten wir bereits in der ersten Etappe erfahren, was uns am letztendlichen Zielort noch für eine „Tortour“ erwarten würde. Waldää´s Hinweis, die restliche Truppe (Chicken, Paula, Waldää) würde am Zielort auf uns warten, ließ wilde Spekulationen im Bus ins Kraut schießen. Von einer viertätigen Planwagenfahrt rund um die Gitstapper Mühle über eine ausgedehnte Kellerparty beim Tourplaner bis hin zu einer Bootstour von Orsbeck bis zur Nordsee reichten die Spekulationen.

Als wir dann jedoch immer näher Richtung Nettetal kamen verfestigte sich der schweißtreibende Gedanke, man könnte uns vier Tage am Hariksee gefangen halten. Das hätte auch beinahe schon mit der Taxifahrt geklappt, denn ohne Mithilfe der Besatzung wäre der Fahrer noch mindestens zwei Tage orientierungslos mit uns um den See getuckert. Nach gefühlten 22 Uferbesichtigungen an diversen Stellen des Sees erreichten wir dann endlich unseren Zielort am Schlösschen und trafen dort auf die anderen Kollegen. Nicht nur Wölff stand die Angst förmlich im Gesicht, hier für die nächsten vier Tage eingekerkert zu werden. Waldää schürte diesen Gedanken dann auch sehr geschickt mit dem Fingerzeig auf herrliche Gästehäuser am anderen Seeufer, wo wir uns wohl am Abend auch einquartieren würden.

Doch es kam alles ganz anders – auch anders als Waldää es geplant hatte. Zunächst warteten wir geduldig am Seeufer, denn Waldää hatte uns eine große Hafenrundfahrt mit der „Flotten Charlotte“ versprochen. Eine Frau für zehn Kerle, das konnte ja nicht gut gehen. Leichte Enttäuschung machte sich breit als herauskam, dass es sich tatsächlich nur um eine Bootstour handeln würde.

Leicht ungeduldig wurden wir jedoch, als auch nach unserer Einkehr in die Lokalität am See und den ersten Begrüßungsgetränken immer noch kein Kapitän zu sehen war. Nach mehrfacher Rückfrage beim aufgeschlossenen Privat-Kellner (die übrigen Plätze des Restaurants dienten als Staubfänger) kam dieser schließlich mit der überraschenden Antwort über den Verbleib des Bootsverleihers.

Dieser hatte sich kurzerhand entschlossen, mal eben eine Darmspiegelung durchführen zu lassen. Da man so was ja häufig spontan und rein prophylaktisch macht hat er kurzerhand auch seinen Bruder überzeugt, sich dieser Untersuchung anzuschließen. Damit waren beide Organisatoren kurzfristig anal gebunden und für uns nicht verfügbar. Es hält sich das Gerücht, dass Darmspiegelungen im Doppelpack günstiger seien. Bei Brüdern kann man sogar den gleichen Schlauch zweimal ohne zwischenzeitliche Reinigung einführen und somit weitere Kosten sparen. Weitere Details wollen wir uns an dieser Stelle ersparen.

Jedenfalls war die Hafenrundfahrt zumindest für uns gestorben und wir konzentrierten uns zunächst auf eine flüssige und feste Zwischenmahlzeit. Die nächste Überraschung ließ nicht lange auf sich warten. Waldää ließ endlich die Katze, sprich die Tour-T-Shirts, aus dem Sack und schnell wurde klar, wohin die Reise ging. Der aufgestickte Union-Jack ließ unsere Herzen höher schlagen da wir nun wussten, dass wir das beliebte Ausflugsziel für die letzte Reise vor der Himmelfahrt bald in Richtung London verlassen würden. Arnold meinte zwar, wir wären vier Wochen zu spät dran (die Paralympics seien schon vorbei), doch freuten wir uns trotzdem auf den Trip auf die Insel. Gegen 13.15 Uhr saßen wir alle wieder im Taxi Richtung Flughafen Köln-Bonn.

Dort angekommen ging es zügig zum Check-In, wo wir alle treuhänderisch und in gutem Glauben unsere Koffer einer netten Dame am Schalter anvertrauten. Zu diesem Zeitpunkt konnte Paula noch nicht ahnen, dass er sich für längere Zeit von seinem schicken roten Koffer und dem noch wichtigeren Inhalt verabschieden würde. Anderenfalls hätte er sicherlich sein Gepäckstück bis zum Einladen in die Maschine begleitet oder gar versucht, die 20 KG als Handgepäck mit in die Kabine zu bekommen. Gut gelaunt hoben wir gegen 15.45 Uhr ab Richtung Insel.

Nach der Landung sorgten jedoch die nächsten zwei nicht ganz so geplanten Vorgänge für leicht gereizte Stimmung. Eines jeden Albtraum bei der Gepäckausgabe wurde für Paula wahr. Nachdem das Kofferband bereits zum 25sten Mal den letzten verbliebenen Koffer eines Gastes aus Frankreich an uns vorbei geschickt hatte wurde klar, dass Paule´s Habseligkeiten irgendwo anders waren, nur nicht in London. Nach entsprechender Rückfrage beim Baggage-Service stellte sich heraus, dass seine Utensilien gemäß dem angehefteten Klebeband nun einem gewissen Lars Paulsen (oder Paul Stefensson, oder Paul Larsson, oder Steve Paulsson) gehören würden und diese sich auf dem Weg nach Berlin befänden. Aber alles halb so schlimm, am nächsten Tag würde sein Koffer sicher zu unserem Hotel gebracht. So weit so gut. An dieser Stelle möchte ich den chronologischen Ablauf der Tour kurz verlassen, um die Koffer-Story zusammenhängend zu Ende bringen zu können. Wie man sich sicher hier schon denken kann, lief natürlich auch hier alles schief. Wir informierten zwar an unserer Hotelrezeption den dortigen Concierge, dass man doch bitte am nächsten Tag den Koffer unseres Bruders Paula entgegen nehmen solle, doch saß am Samstag, als der Koffer den Weg zum Hotel endlich gefunden hatte, ein anderer, in der Sache völlig ahnungsloser Mensch an der Rezeption. Völlig überfordert und in Unkenntnis der Sachlage verweigerte die Dame mit britischer Härte und Vehemenz die Annahme und schickte den Koffer wieder zurück Richtung Flughafen. Doch damit nicht genug der Irrungen und Wirrungen. Als die geistig verwirrte Frau dann am Sonntag auf unsere Anweisung beim Flughafen nachfragte, ob der Koffer nun wieder dorthin zurück gebracht worden sei, wusste man dort von nichts. Wie auch, denn Miss Inkompetent hatte in Heathrow angerufen, obwohl wir in Stanstead gelandet waren und der Koffer natürlich auch dorthin zurück gebracht worden war. Am Ende führte dann das ganze Hin und Her zu dem Ergebnis, dass Paula seinen Koffer pünktlich zum Rückflug in Händen hatte und sein Gepäckstück ungeöffnet ca. 3000 KM durch halb Europa zurück gelegt hatte. Glück im Unglück: Zu Hause konnten einige Liter Wasser und mindestens drei Waschgänge gespart werden. Es bleibt jedoch auch eine weitere positive Erkenntnis: Auch mit einer Unterhose und einem Satz sonstiger Klamotten am Leib kann man auf Kegeltour fahren. Sachen zum Wechseln sind gar nicht nötig und kosten nur Zeit beim Umziehen. Nächstes Jahr reisen wir alle nur mit Handgepäck, damit sparen wir sowohl kostbare Zeit am Flughafen (natürlich nur bei einer Anreise mit dem Flieger), bei der Morgentoilette und beim Umziehen.

Doch zurück zum chronologischen Ablauf. Bereits ziemlich genervt von der Koffer-Aktion warteten wir am Flughafen-Terminal nochmals eine Ewigkeit auf unser Taxi. Als uns dann ein wegen Insider-Geschäften gefeuerter Ex-Kollege von Öshi (er durfte zumindest Anzug und Krawatte behalten) als Taxi-Chauffeur begrüßte hofften wir, das Schlimmste überstanden zu haben. Die dann folgende, fast 90-minütige Tortour quer durch London bis zu unserem Hotel in Richmond (Wohnort von Öshi) setzte dem ganzen bis dahin dann noch die Krone auf. Fazit: Die ca. achtstündige Anreise von Janses Mattes bis zum Hotel war zwar sehr erlebnisreich, doch hätten wir gerne auf einige der Storys bis dahin verzichten können. Jetzt, bei der Nachbetrachtung, ist es aber genau dieser Stoff, der die schreibwürdigen Geschichten einer Kegeltour hervorbringt. Gott sei dank verliefen die folgenden drei Tage dann deutlich erfreulicher, wenn auch nicht weniger ereignisreich.

Kurz nach unserer Ankunft am Hotel gegen 19.45 Uhr war lekketäsch dann komplett, denn Öshi stieß endlich zu uns. Er führte uns dann auch schnurstracks in eine gemütliche, typisch britische Kneipe (The White Horse), in der wir mit „fish and chips“ und einem traditionell bis zum Rand gefüllten Bier den Abend begannen. Zwei weitere Stationen (The Cricketer und Be@1 Cocktailbar) folgten noch, ehe wir angesichts des strammen Programms der nächsten Tage zeitig gegen 00.30 Uhr den Rückweg zum Hotel antraten.

Am nächsten Morgen wurden wir dann pünktlich gegen 6 Uhr geweckt, als die Flugzeuge im Landeanflug auf den nahen Flughafen Heathrow quasi durch unser Hotel flogen. Aufgrund des etwas spärlichen Hotel-Frühstücks entschlossen wir uns, den Tag mit einem guten Breakfast in einer nahe gelegenen Lokation zu beginnen. Allerdings fühlten wir uns schnell an die Ereignisse des Vortages erinnert, als Öshis gebuchtes Cafe geschlossen war und wir in eine Cafeteria in der ehemaligen Kanalisation von London mit Namen Tide Table Cafe (nicht zu verwechseln mit einer Table Dance Bar) ausweichen mussten. Hier stattete uns auch die First Crow „Heike die Erste“ einen überraschenden Besuch ab. Das völlig geschmacksneutrale Omelette wurde schnell vertilgt und wir schlossen einen kurzen Spaziergang am Ufer der Themse an. Bei zwar kühlem, aber herrlichem Wetter, ließen wir uns auf der Außenterrasse eines bayerischen Biergartens (das „Stein´s“ mit original deutschem Wirt) nieder uns stimmten uns so bei Leberkäs und der ersten Maß des Tages auf das kommende Highlight ein.

Passend zur Jahreszeit hatten unsere Tour-Organisatoren Öshi und Waldää ein Oktoberfest mitten in London ausfindig gemacht und uns kurzerhand VIP-Tickets im riesigen „Zirkuszelt“ besorgt. Voll ausgestattet in traditioneller, bayerischer Tracht (Paulas Outfit wurde natürlich zu dieser Zeit in Berlin von seinem Doppelgänger Lars Paulsen getragen) betraten wir gegen 14.45 Uhr in freudiger Erwartung das bereits zu diesem Zeitpunkt gut gefüllte Festzelt. Etwas Sorgen hatten wir natürlich angesichts der typischen Verhaltensweisen britischer Landsleute: Schnelles Komasaufen und möglichst innerhalb der ersten zwei Stunden vier bis sechs Schlägereien beginnen. Diese Eigenschaften gepaart mit Wixää´s, auch Mr. Wanker genannt, eigenwilligem Verhalten gegenüber Fremden könnte schnell zu einem explosiven Gemisch werden – so unsere Befürchtungen. Doch beide Seiten übten sich (zunächst) in angemessener Zurückhaltung. Wohl auch weil wir Wixää schnell klarmachten, dass wir ihn diesmal nicht aus der Scheiße holen würden wenn er wiedermal seine berühmten Verbalattacken gegen seine Gegner führen würde.

Vielmehr kamen wir schnell in Stimmung – auch weil die deutsche Band „Albfetza“ das Zelt schon von Beginn an mächtig rockte. Ein Gemisch aus bayerischer Bierzelt-Musi gepaart mit fetzigen Stimmungssongs und aktuellem Liedgut sorgte für eine tolle Atmosphäre. Interessant waren auch die Beobachtungen, wie die leicht irritierten Briten mit der deutschen Oktoberfest-Mentalität umgingen. Doch selbst ohne Deutschkenntnisse trällerten die eingeborenen Insulaner zu „99 Luftballons“ oder „Tage wie diese“ ihre eigene deutsche Textversion. Sogar „Ein Prosit die Gemütlichkeit“ schallte aus allen Kehlen durch das Zelt. Lediglich der Begriff VIP scheint in England eine andere Bedeutung zu haben. Der mit Flatterband abgesperrte VIP-Bereich würde in Bayern nicht mal als Armen-Speisungszone der Münchner Tafel durchgehen und die Bedienung bekäme bei uns kaum einen Job als Toiletten-Frau. Hier stand VIP wohl eher für Völlig Inkompetentes Personal. Das absolute Highlight in dieser Beziehung war jedoch die VIP-WC-Anlage. Der Plastik-Schweinetrog in Form eines Entsafters diente als Pinkelbecken für vier Personen, die sich mangels Privatsphäre gegenseitig in die Fresse pissen konnten. Auch die gierigen und prüfenden Blicke der weiblichen Besucher direkt neben dem Playmobil-Pissoir trugen nicht gerade zum VIP-Status der Einrichtung bei.

Last but not least zählten auch manche Besucher im VIP-Bereich nicht wirklich zur gesellschaftlichen Elite. Dies freute zwar unseren Wixää, der je später der Abend wurde immer mehr grölende, pöbelnde Freunde und Gesinnungsgenossen fand, doch war einigen von uns die Stimmungsentwicklung nicht ganz geheuer. Insbesondere eine Gruppe schwedischer Surfer am Nachbartisch ließ das Gefährdungspotential deutlich ansteigen. In Form eines „Running Gags“ schaffte es insbesondere ein skandinavischer Wellenreiter, alle fünf Minuten samt vollem Bierkrug (Gott sei Dank in passender Plastik-VIP-Ausführung) von der Bank zu stürzen. Langsam, aber immer mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht, kroch er unter der Bank hervor, um kurze Zeit später den nächsten Abflug vorzubereiten. Für den kulinarischen Höhepunkt sorgte dann ein weiterer Volvo-Fahrer, als er den gerade konsumierten Absacker samt Frühstück aus dem Körper hervorholte und seinen Bierkrug als Auffangbehälter benutzte. Bis dahin noch sehr löblich, verteilte er den Auswurf doch nicht quer über den Tisch. Als er dann jedoch den Krug schnurstracks wieder ansetzte, um sich den Gemisch-Inhalt wieder genüsslich zuzuführen, wurde einigen von uns doch schnell ganz anders. Nicht zuletzt aus diesem Grund zog es eine Gruppe lekketäschler dann vor, das Zelt zu verlassen und gegen 20.00 Uhr eine andere Lokation aufzusuchen. Der verbleibende Rest in Form von Waldää, Chynas und Linda war etwas weniger zimperlich und knüpfte dann noch neue Kontakte zur britischen Botschaft und zur Band „Albfetza“. Mit Hinweis auf eine satte Gage durch den Sponsor „Rosen Eiscreme“ konnte Chynas die Aufmerksamkeit des Bandleaders erregen und stellte ihm ein Arrangement fürs nächste Oktoberfest in Haaren in Aussicht. Mit vielen neuen Eindrücken im Gepäck wurde dann der Abend beim Londoner Oktoberfest beendet und es begann die Vorbereitung auf den nächsten Tag. Noch ahnte niemand, dass wir uns spätestens an diesem Tag dem finanziellen Abgrund nähern und den Verein Richtung Insolvenz treiben würden.

So stand dann auch am Sonntag wieder ein volles Programm auf der Tagesordnung. Öshi hatte all seine London-Erfahrung in die Waagschale geworfen und einen ausgereiften Plan für das „Pub-Crawling“ entworfen. Beim ausgiebigen und diesmal sehr herzhaften Frühstück in einem schicken Restaurant an der Themse (das „Bill´s) verteilte er einen professionell ausgearbeiteten „Arbeitsplan“ mit ca. zehn Kneipen-Stationen im Herzen der englischen Hauptstadt. Dazu verfasste er noch einige Erklärungen zu den jeweiligen Pubs, sodass auch der kulturelle Aspekt unseres Trips berücksichtigt wurde. Zudem konnten wir auf dem Weg durch die Stadt noch einige Sehenswürdigkeiten (u.a. Tower, Buckingham Palast, Big Ben, London Eye) betrachten, sodass wir mit gutem Gewissen behaupten konnten, nicht nur zum Saufen nach London gekommen zu sein.

Erwartungsfroh und durch das Frühstück gut gestärkt machten wir uns also auf den Weg durch die Kneipen-Szene. Zunächst ging es mit dem Doppeldecker-Bus von Richmond in Richtung City. Auf der Fahrt stellten wir fest, dass in England die Bäume viel schneller wachsen als bei uns in Good Old Germany. Jedenfalls kamen hier in London die städtischen Landschaftsgärtner scheinbar nicht mit dem Baumschneiden nach, sodass uns als Passagiere der oberen Busetage nahezu minütlich die Äste um die Ohren und gegen den Bus flogen. Es hätte uns aber auch schlimmer treffen können wie Waldää´s Bemerkung „Gott sei Dank wachsen hier in London keine Kokosnüsse“ die Situation passend beschrieb. Arnold hatte als eigenverantwortlicher Fahrer der oberen Bus-Etage sogar sichtlich Spaß an dieser besonderen Fahrt.

Gegen 12.00 Uhr starteten dann als traditioneller Wanderverein den „Öshi Pub Crawl“ (OPC) mit dem Besuch des „Ten Bells“, nachdem wir zuvor über die Tower Bridge das Ufer gewechselt hatten. Nach dem Abstecher ins „Dirty Dicks“ ging es dann zur Mittagspause inklusive Jahreshauptversammlung ins „The Jugged Hare“. Schon an der noblen Ausstattung des eigens für uns reservierten Kellergewölbes hätten wir erahnen können, dass wir hier unser finanzielles Waterloo erleben würden. Was für Öshi´s Verhältnisse ein normales Geschäftsessen aus der Portokasse gewesen wäre war für lekketäsch der sichere Weg in die Insolvenz.

Beeindruckt vom Ambiente mit Kerzenleuchter und dem ständig um uns herumschwänzelnden Pinguin stieg das Niveau so manchem Kegelbruder wohl zu Kopf. So wurde entgegen unserer sonstigen Dönerbuden- und Flaschenbier-Mentalität von einigen Jungs mal kurzerhand stilvoller Wein und graziöser Lobster bestellt. Ob damit das gesellschaftliche Erscheinungsbild dieser „Edelmänner“ maßgeblich angehoben wurde, bleibt ungeklärt. Die drei Schweinsköpfe im „Schaufenster“ des Kellerabgangs spiegelten jedoch eher unsere Situation als „echt arme Säue“ wider.

So wurde bei der anschließenden Jahreshauptversammlung, auch hier blieb der persönliche Kellner übrigens als unautorisierter Zuhörer anwesend, der Posten des Insolvenzverwalters (bei lekketäsch Insolvenzverwaldää) neu in die Liste der Ämter aufgenommen. Natürlich freute sich der geloste Linda diebisch über seinen neu gewonnenen Einfluss, nachdem er sich diesmal nicht den Präsidenten-Posten (Pläät) oder den seines Vizes (Chynasky) erschleichen konnte.

Als nach mehrstündigem Aufenthalt in der Nobel-Herberge die finanzielle Situation völlig aus dem Ruder zu laufen drohte wurde auch Scheich Oeshi klar, dass wir uns langsam auf die Katastrophe zu bewegten. Seine gesteigerte Unruhe und sein Drängen zum Aufbruch ließ uns dann auch weiter ziehen, um das OPC in weniger edlen, aber dennoch reizvollen Kneipen fortzusetzen.

Unsere letzte Station vor dem Abendprogramm war dann die St. Stephen´s Tavern am House of Parlament, wo Paula und Chynas noch ein paar Tischdecken als Andenken überreicht bekamen. Zum Tagesabschluss hatte das Planungsteam dann noch eine ganz besondere Lokation für uns ausgesucht. Als musikalisches Kontrastprogramm zum Oktoberfest am Samstag ging es diesmal in eine schräge Kellerspelunke mit dem Namen Club 100. Ob sich die 100 hierbei auf die Dezibel-Zahl der Live-Musik oder die Anzahl der vom abgefahrenen Publikum gerauchten Joints pro Stunde bezog wurde nicht überliefert. Jedenfalls erinnerten die dunkle Umgebung, die geisterhaften Zuschauer-Gestalten und die ausgeflippten Mitglieder der beiden Punkrock-Bands eher an Halloween als an eine Konzertveranstaltung. So ergriffen unsere zart besaiteten Brüder Arnold, Linda, Wölff und Paula nach kurzer Zeit die Flucht und suchten nach anderen Unterhaltungsoptionen. Die sechs verbliebenen lekketäschler ließen sich dann noch bis zum Konzertende gegen 23 Uhr die Ohren volldröhnen und verließen anschließend die Szene mit sagen wir mal außergewöhnlichen Musikeindrücken und einem leichten Hörschaden. Nach längerem Herumirren durch die Straßen Londons auf der erfolglosen Suche nach einer noch geöffneten U-Bahn-Station brachte uns schließlich ein Taxi zurück ins Hotel nach Richmond.

Als am nächsten Morgen der Abschied aus London nahte, weinte auch der Himmel bittere Tränen (tiefer Griff in die Philosophen-Kiste). Nach drei Tagen mit für die Insel untypischem Sonnenschein von früh bis spät regnete es diesmal richtig heftig. Nach einem Pseudo-Frühstück im Hotel ging es dann noch einmal in Richtung City, wo sich nach einem kurzen Kneipenbesuch die Gruppe noch einmal trennte. Die Einen wollten schon mal die „Gutwetterphase“ für Zuhause vorbereiten und gingen auf Shopping-Tour. Die Anderen blieben sich selbst am Nächsten und steuerten zielstrebig das Hardrock-Cafe an. Dort vereinte man sich gegen Mittag wieder zum letzten Abendmahl. Frei nach dem Motto „einem nackten Mann kann man nicht in die Tasche packen“ ließen wir es uns noch mal richtig gut gehen und machten uns dann gegen 15.00 Uhr auf den langen Weg nach Hause. Zwischenzeitlich verabschiedeten wir unseren Mit-Tour-Organisator Öshi, nicht ohne ihm herzlich für die Gastfreundschaft in seinem neuen Heimatland zu danken.

Gegen 20.15 Uhr starteten wir mit dem Flieger und Paulas ungeöffnetem Koffer wieder Richtung Köln. Gegen Mitternacht waren war dann alle wieder wohlbehalten und mit vielen neuen Eindrücken im Gepäck zu Hause.

Als Fazit können wir festhalten: Wat nix kostet is auch nix. Scheiß auf die Finanzlage des Clubs: Anders als die Griechen sind wir immer noch bedingt zahlungsfähig und besitzen eine einwandfreie Bonität (Rating AAA – Alles Auf Anfang).

An dieser Stelle noch mal einen herzlichen Dank und ein großes Lob an unser Planungsteam Waldää und Öshi. Ihr habt dem nächstjährigen Organisations-Duo Paula/Chynasky finanziell gesehen zwar viel verbrannte Erde hinterlassen, doch habt ihr uns über die vier Tage unserer Jubiläumstour ein tolles und abwechslungsreiches Programm geboten.

Hierauf ein dreifaches lekketäsch, lekketäsch, lekke-täsch-täsch-täsch.

Chynasky
Vice-President

Im November 2012


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